brigitta heidtmann

David und Goliath

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16.09.2014 Kommentare geschlossen

1990/91 bedient sich Brigitta Heidtmann eines einfachen hölzernen Küchenstuhls, den sie Seite für Seite in Ton abformt, um die so entstandenen einzelnen Teile nebeneinander an der Wand anzulehnen. Aus der Dreidimensionalität in die Fläche geklappt, unterliegt der Stuhl auf dieser Weise einer Transformation von der Skulptur zum Relief, das eine Allansichtigkeit des Objektes auf einen Blick erlaubt. Seiner eigentlichen Funktionalität enthoben, gewinnt der Stuhl an neuen Aussagen, wovon die des zeichnerischen Charakters Brigitta Heidtmann besonders fasziniert. Der Stuhl in seinen nebeneinandergestellten Abformungen wird zur plastischen Zeichnung und die Wand damit zum Zeichenblatt. Brigitta Heitdmanns weiteres Augenmerk gilt dieser weißen Wand, da sie es ist, die als Aktionsfläche mit den an ihr aufgereihten Objekten korrespondiert.

1999, rund acht Jahre nach der Abformung des Stuhles, ist die Einbeziehung der Wand erneut wesentlicher Bestandteil des keramischen Werkes von Brigitta Heidtmann. Von der Abbildhaftigkeit losgelöst, wie sie 1996 noch in der Abformung einiger gestapelter Europaletten für eine Ausstellung in industrieller Umgebung anzutreffen ist, bedient sich die Künstlerin klarer geometrischer Formen, die sie zum Ausgangspunkt ihrer Arbeiten nimmt. Vornehmlich die Gestalt eines quadratischen Kästchens und seiner rechteckigen Abwandlung wird zu mehrteiligen Objekten arrangiert, die allein schon durch die jeweilige Präsentation an der Wand an Spannung gewinnen. Hinzu kommt die differenzierte Oberflächengestaltung sowie die Materialkombination aus Ton und Holz, die den einzelnen Gruppierungen enorme Dynamik verleihen.

Jedes abgebildete Arrangement aus vier bzw. zwei einzelnen Elementen lebt von der Beziehung der jeweiligen Objekte zueinander, die unabhängig voneinander entstehen und erst durch die Gruppierung ihre spezielle Bedeutung erfahren. So findet etwa die unregelmäßige, gezeichnete Kreisform einer Arbeit ihr Pendant in vier vergleichbaren Öffnungen der zugehörigen daneben. Die tatsächliche Raumhaltigkeit des rechteckigen Objektes wiederum verliert sich dagegen in der scheinbaren Tiefe der ihm zugeordneten schwarz bemalten Arbeit. Von eins bis vier schließlich steigt die Zahl der zeichnerischen oder realen Eingriffe in der Gruppe der vier Kästchen, die allein dadurch schon einen Zusammenhang finden. Hinzu kommt das verbindende Element des Rhythmus`, der sich in allen Gruppierungen unterschiedlich nachweisen lässt. Über die erwähnte Reihung von eins bis vier hinaus, klingt er an im kreisformaufgreifenden Spiel der einen, sowie im Wechsel zwischen Raum und Schein der anderen Zweiergruppe.

Dem 1990/91 entwickelten Gedanken der Abformung folgend, bedient sich Brigitta Heidtmann bei ihren Arbeiten des Kästchens, dessen hölzerne Gestalt sie in das Material Ton überträgt. Dabei ermöglichen ihr die verschiedenen Materialien unterschiedliche Bearbeitungen der Schauflächen, die sich entweder als hölzerne Zeichenflächen geben, oder durch Kerben, Schnitte und Öffnungen im Ton strukturiert sind. Gleich ihrer einstigen Transformation des skulpturalen Objektes Stuhl über das Relief in eine der Zeichnung angenäherte Form, überträgt Brigitta Heidtmann in den Arbeiten von 1999 die Sprache der Zeichnung auf das dem üblicherweise skulptural eingesetzten Material Ton. Ein Dialog entsteht, der spannungsvoll das Wechselspiel zwischen Objekt und Zeichnung thematisiert. Sämtliche Arbeiten berichten über die überraschenden Möglichkeiten verschiedener Materialien, deren gängige Definitionen wie Dichte bzw. Offenheit leichtfüßig in Frage gestellt werden.

Plattform des Dialoges ist die Wand, die den rahmenlosen Arbeiten eine weitere Aufgabe stellt. Hier müssen sie sich in ihrer geringen Größe nicht nur untereinander, sondern auch gegen die leere Fläche behaupten. Die Kleinheit lenkt bewusst alles Augenmerk auf die einzelnen Objekte, die auf stille Art von großer Wirkung sind. Brigitta Heidtmanns Werk wirkt erfrischend verspielt und emotional. Humor schwingt mit, wenn der Zwerg sich auf der gewaltigen Wand behaupten muss – und gewinnt.