brigitta heidtmann

Pánta rhei

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16.09.2014 Kommentare geschlossen

Grundsätzlich sind es einfache Materialien, denen Brigitta Heidtmann ihr Augenmerk schenkt. Viele Jahre nutzt die Künstlerin beispielsweise gebrannten Ton, den sie ohne weitere Veredelungen in skulpturale Werke überträgt. Bereits 1990/91 bildet sie auf diese Weise die Formen eines Stuhles ab, um sie anschließend in einzelnen Teilen an der Wand zu präsentieren. Merkmal dieser Arbeit ist bereits Heidtmanns Interesse an der Grenze zwischen dreidimensionalem Objekt und reliefartiger bzw. flächiger Struktur, die sie später auch in der Serie der Würfelarbeiten aus Ton oder bemaltem Holz erforscht. Diese meist in Gruppen präsentierten Werke weisen entweder tatsächlich Löcher oder Schnitte in der Oberfläche auf, oder suggerieren den Eindruck von Räumlichkeit durch entsprechende schwarze Bemalung. Auch weitere Arbeiten auf bemalten hölzernen Bildträgern leben von dem Spiel unterschiedlicher Realitätsebenen, indem sie mit hölzernen Kästen, deren Oberflächen wiederum teilweise perforiert sind, kombiniert werden. Mehrfach nutzt die Künstlerin in diesem Sinne üerdies Dachlatten, die als Sammlung an die Wand gelehnt werden und dort durch ihre verschiedenen Oberflächenbehandlungen in einen offenen Dialog treten. Brigitta Heidtmann bedient sich dabei absichtlich der Wand als verbindendes Element, über das der Betrachter Gemeinsamkeiten und auch Unterschiede der einzelnen Werke erkennen kann. Die Wand gleicht damit einer übergeordneten Metaebene, die zugleich Plattform ist für die Fantasie, in der sämtliche Arbeiten nach den Vorstellungen des Betrachters in neue Konstellationen gebracht werden können.

Seit Anfang 2007 verwendet Brigitta Heidtmann Gipskartonplatten aus dem Baumarkt für ihre Arbeiten. Durch den Rückgriff auf diesen im Prinzip banalen Werkstoff bleibt sie ihrer Materialverbundenheit treu, zumal die Platten, wie einst der gebrannte Ton, ohne aufwändige Veredelungen auskommen. Immer wieder finden sich auf den, mehrfach mit Holz kombinierten Objekten Konstruktionszeichnungen, die, wie auch zahlreiche Verschraubungen oder farbige Überarbeitungen, selbst gestaltgebende Funktionen innehaben. Absichtlich vermitteln die Werke dadurch den Eindruck des „Vorläufigen“, vielleicht sogar „Unfertigen“, das an jene von Widersprüchen und Gemeinsamkeiten geprägte Offenheit früherer Arbeiten anknüpft. Und auch die Präsentation der neuen Objekte in einem von Intuition gelenktem Ensemble trägt die bekannte Handschrift des Gesamtwerkes, das dabei zugleich von mehreren wesentlichen Neuerungen durchdrungen ist. So wechselt die Künstlerin konsequent von der Wand als Plattform für die Arbeiten zur Bodenfläche des Raumes, der damit die Funktion jener Metaebene übernimmt. Voraussetzung dafür ist die Konzeption eines auf Allansichtigkeit hin ausgerichteten Werkes, das vom Betrachter umschritten werden kann.

Die neuen Objekte aus Gipskarton verdeutlichen radikal eine Entwicklung im Werk von Brigitta Heidtmann. Das Material, im eigentlichen Sinne selbst als Wand zu betrachten, verliert seine dienende Funktion als Bildträger. Zugleich wird das Thema Raum und Räumlichkeit, das in den früheren Arbeiten aus Ton, Holz und Farbe mehrfach ausgelotet worden ist, akzentuiert. Konsequent modifiziert Heidtmann in diesem Kontext auch ihre Formensprache und entwickelt Arbeiten in überwiegend runder Gestalt wie Kreis, Dragée oder Hufeisen und deren Ableitungen. Einzelne Turmobjekte aus Dachlatten erinnern vage an die frühere Würfel- oder Kastenform der Werke, wobei auch hier ein Paradigmenwechsel stattgefunden hat. Denn, wo ehemals das Holz Bildträger und zugleich als deren Rahmen dienlich war, stellt es sich jetzt in eigenständiger Funktionalität als Objekt dar.

So ist das Werk von Brigitta Heidtmann in Bewegung. Über die Jahre hinweg lassen sich immer neue Entwicklungen nachvollziehen, wobei die Künstlerin grundsätzliche Merkmale kontinuierlich vorantreibt. Entsprechend sind auch die aktuellen Objekte von einer spielerischen Leichtigkeit durchdrungen, wie sie sich im Gesamtoeuvre nachvollziehen lässt. Bei aller Authentizität und Ernsthaftigkeit scheut Heidtmann nie den Witz in ihrem Werk, der sich in schmeichelnden Formen, variationsreichen Materialien und vor allem der Möglichkeit des Betrachters, überraschende Zusammenhänge und Widersprüche zu erkennen, manifestiert. Auch der Betrachter ist in der Konfrontation mit den Arbeiten von Brigitta Heidtmann permanent in Bewegung, woraus eine jahrelange und auf Jahre hin ausgerichtete Freundschaft resultiert.